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Von „viel hilft viel“ zu strategischem Themenmanagement in der Kommunikation

Von Thomas Mickeleit

Kommunikationsberater für digitale Transformation, langjähriger Kommunikationschef von Microsoft Deutschland, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des IMWF

Die Zahlen sprechen zunächst mal für sich. Wie das IMWF unlängst in einer Befragung[1] ermittelte, verfügen nur 36% der Befragten in ihren Organisationen über ein durchgängiges professionelles Themenmanagement. 48% bescheinigen sich immerhin, dass dies teilweise vorhanden ist. Daraus lässt sich bei optimistischer Betrachtung zunächst die hohe Bedeutung ableiten, die „strategischem Themenmanagement“ zugewiesen wird. Die Befragung des IMWF deckt sich mit der etwas älteren, aber umfassenderen Untersuchung des European Communications Monitor von 2015[2]. Darin sagen 93% der Praktiker, eine Content-Strategie sei sehr wichtig, aber nur 58% bestätigen, dass sie eine solche Strategie tatsächlich hätten. Die weniger optimistische Betrachtung lässt den Schluss zu, seit 2015 ist es jedenfalls nicht besser geworden.

Was ist eigentlich unser Problem mit Blick auf „strategisches Themenmanagement“? Gern wird eine banale Sache durch den Zusatz „strategisch“ künstlich wichtig gemacht, dann ist es sakrosankt und Kosten spielen keine Rolle. Themenmanagement heute strategisch zu betreiben, ist allerdings längst keine Kür mehr, sondern Pflicht. Wo Kommunikation ihren Wert nach dem Motto „viel hilft viel“ an der Zahl der versandten Pressemitteilungen, an der Höhe des Clippingstapels und der Zahl der Facebook-Likes misst, ohne je darauf zu schauen, was bringt das eigentlich, betreibt Themenmanagement nicht strategisch. Darüber sind die allermeisten hinweg, aber was strategisch wirklich ist, bedarf einer Klärung.

„Relevanz“ ist der Schlüssel zu strategischem Themenmanagement

Hier kommt der Begriff „Relevanz“ ins Spiel. Kommunikation soll relevant sein und zwar unter mehreren Gesichtspunkten. Zunächst – und das ist eine Binse – sollen sich Kommunikationsziele aus Geschäftszielen ableiten und damit ihre Relevanz aus der Unternehmensperspektive unter Beweis stellen. Das ist leichter gesagt als getan, denn operationale Geschäftsziele wie angestrebter Umsatz, Markterschließungen, Produktionssteigerungen oder auch die Digitalisierung eignen sich oft nur bedingt, um daraus Kommunikationsziele abzuleiten. Sie sind zu kleinteilig, zu unkonkret, lassen sich besser mit Marketing-Instrumenten bedienen oder sind gar wettbewerbssensibel und damit vertraulich. Die Relevanz sollte sich vielmehr aus dem übergeordneten Unternehmenszweck, der Mission oder wie heute gern gesagt wird, aus dem „Purpose“ ableiten. Kommunikation gewinnt ihre Relevanz und die Akzeptanz interner Stakeholder dann, wenn sie dieses grundsätzliche Leistungsversprechen untermauert.

Bei Microsoft haben wir in diesem Sinne konsequent nur Themen kommuniziert, die in Bezug zur Unternehmens-Mission, „To empower every person and every organization on the planet to achieve more“ standen. Es geht also darum die Verwirklichung dieses Anspruchs mit Mitteln des Storytellings zu belegen, was sich in unterschiedlichen Flughöhen, Kanälen und Formaten materialisiert. Konkret wird z.B. am Thema „Die Neue Welt des Arbeitens“ wo die Bandbreite vom Service-orientierten Content, wie „10 Tipps für das bessere Teams-Meeting“ bis hin zu einem Buchprojekt „Out of Office“ reicht, das die gesellschaftspolitischen Dimensionen hybriden Arbeitens beleuchtet.

Wer an dieser Stelle irritiert feststellt, dass es der eigenen Organisation an so einer Mission fehlt, hat damit einen sehr grundsätzlichen Handlungsbedarf schon identifiziert. Kommunikation, der es an dem Leitstern fehlt, die sich in ihrem Tun in sich täglich ändernden Prioritäten verheddert, kann nicht strategisch sein.

Kommunikation muss ihre Sensorik aufrüsten

Relevant muss der Content auch aus der Perspektive der Zielgruppen sein. Viel zu wenig machen sich Kommunikatoren Gedanken darüber, was die Zielgruppe, besser noch das konkrete Individuum wirklich interessiert. Kommunikation, gerade wenn sie in Marketing reportet[3], steht in der Gefahr für allerlei intern getrieben Prioritäten instrumentalisiert zu werden. Was Kommunikation stattdessen tun muss, ist ihre Sensorik aufzurüsten, um eine holistische Outside-In-View zu erzeugen. Das startet bei banalen Checks, nach was Nutzer eigentlich suchen – auf der Corporate Website, auf Google und in Sozialen Netzwerken, gefolgt von einer Suchmaschinen-Optimierung des Contents. Zunehmend fragmentierte Mediennutzungen machen es nicht einfacher. Deshalb gehen die Überlegungen nach der Relevanz aus Nutzerperspektive einher mit einer sorgfältigen Kanalanalyse, wie Content so verbreitet wird, dass er die Zielgruppen auch verlässlich erreicht. Die gescholtenen Marketing-Kollegin haben der Kommunikation eines voraus. Sie haben viel früher erkannt, dass die Customer Journey viel besser datenbasiert zu steuern ist und haben Tools im Einsatz, die auch in der Kommunikation beste Dienste leisten würden. Einzelheiten sprengen die Intention dieses Beitrags. Einen guten Überblick über die CommTech[4] -Tools findet sich auf der Website der Arthur Page Society.

Es gibt noch eine dritte Dimension der „Relevanz“, die für ein erfolgreiches Themenmanagement wichtig ist. Ein Thema zum falschen Zeitpunkt gespielt, findet keine Aufmerksamkeit. Auch der „Tag des Einmachglases“ – oder welche Tage auch immer in Redaktionsplanungs-Meetings behandelt werden, sind dafür keine Lösung. Wir müssen uns von den archaischen Methoden lösen, als in der B2B Kommunikation die Themenpläne der Fachmagazine bestimmt haben, wann ein Thema dran war. In der Welt von Social Media folgen Themenkarrieren anderen Gesetzmäßigkeiten und verlangen die technische Sensorik, um sie zu managen. Frühzeitige Trends für Themenkarrieren aufzuspüren, ist kein Hexenwerk. Das Instrumentarium steht zur Verfügung und versetzt Kommunikatoren in die Lage, die thematische Anschlussfähigkeit ihres Contents über smarte Analyse-Tools sicherzustellen. Mehr noch, Kommunikation kann sich mit der Verfügbarkeit von Daten zu unternehmensrelevanten Themen aller Art als Trusted Advisor des Managements einbringen. Denn nicht nur Kommunikation leidet unter dem nicht ausgeschöpften Potenzial, Daten für strategische Zwecke einzusetzen. Derselbe Befund gilt auch für Management[5], wo fundamentale Entscheidungen mehr oder weniger aus dem Bauch heraus erfolgen, obwohl Daten helfen könnten, mehr faktenbasierte Entscheidungen zu treffen. Offensichtlich handelt es sich hier nicht um Medienresonanzanalysen, die im Monatsrhythmus erstellt werden und zu Reporting-Zwecken dienen, sondern um Analysen, die quasi in Echtzeit zur Verfügung stehen, weil Algorithmen helfen, große Datenmengen zu verarbeiten. Künstliche Intelligenz, die überall Einzug hält – auch in der Kommunikation – sichert die Qualität und liefert kontinuierlich bessere Ergebnisse.

Themenmanagement wird unter Beachtung der „Relevanzfaktoren“ und durch konsequentes datadriven Storytelling „strategisch“. Kommunikatoren müssen technologisch aufrüsten, um vor die Kurve zu kommen. Sie nehmen damit Kurs auf CommTech und erhöhen das Standing von Kommunikation in ihren Organisationen.




[1] IMWF Umfrage unter Fach- und Führungskräften in der PR, März 2021 (nicht veröffentlicht)

[2] Zerfass, A., Verčič, D., Verhoeven, P., Moreno, A., & Tench, R. (2015). European CommunicaPon Monitor 2015. Creating communication value through listening, messaging and measurement. Results of a Survey in 41 Countries. Brussels: EACD/EUPRERA, Helios Media.

[3] Neuerdings wird das fälschlich wieder als der ultimative Durchbruch zu wahrer integrierter Kommunikation gefeiert, siehe BMW, Mercedes.

[4] CommTech Resources – Page Knowledge Base (aufgerufen am 06.05.2021)

[5] It’s time to bring analytics to the strategy room. By Chris Mulligan, Nicholas Northcote, Tido Röder, and Sasha Vesuvala The strategy-analytics revolution | McKinsey (aufgerufen am 06.05.2021)

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